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1x1 der Pflanzengesundheit

(Katalog 2016, Seite 222)

Wir, Alexandra Hartmann und Stephan Osiewacz, beschäftigen uns hier in der Gärtnerei hauptsächlich mit der Pflanzengesundheit. Neben den Bestrebungen ständig die Kulturbedingungen zu verbessern, besteht unsere Arbeit im ökologischen Pflanzenschutz. Heute möchten wir Sie dazu einladen, einen Blick in unsere Arbeit und einen spannenden Mikrokosmos zu werfen.

Stellen Sie sich vor...

... sie stehen in einem wunderschönen Garten. Barfuß auf weichem Rasen. Hinter Ihnen satt tragende Obstbäume, um Sie herum duftende Rosen und vor Ihnen ein üppiges Gemüsefeld. Es ist ein herrlicher Sommertag. Vögel zwitschern, Schmetterlinge und andere Insekten flattern durch die Luft. Eine kleine Schnecke mit ihrem Haus zieht langsam vorbei. Und dort, eine kleine Wühlmaus buddelt sich durch das Gem....waaassss. Plötzlich kippt die Stimmung, die Wühlmaus hat die Karotten gefressen, die Schnecken den Salat, Raupen knabbern am Kohl, Stare pflücken die Kirschen, Blattläuse saugen an den Rosenblüten und ein Maulwurf pflügt unseren Rasen. Ja, eine Katastrophe. Ein Szenario. Bevor wir nun aber den Kleingartenkrieg anfangen und Dinge tun, die wir später bereuen (10 Jahre alte Insektizide vom Nachbarn holen oder und aus Silvesterknallern Maulwurfstopp-Bomben basteln), lernen wir hier nun den ersten Punkt unseres kleinen 1x1 der Pflanzengesundheit:

Keine Panik!

Zwischen Himmel und 20 cm unter der Erde passieren Dinge, die den menschlichen Verstand weit übersteigen. Wären wir nicht so fasziniert von dieser mikroskopisch kleinen Welt, würden wir uns wahrscheinlich eine andere Aufgabe im Leben suchen. Denn manchmal ist es schon frustrierend, ständig zu bekämpfen, aber das Leben findet immer einen Weg. Unsere Arbeit hat auch viel mit Beobachtung zu tun. So haben wir Einblicke in ein Reich, das für das menschliche Auge kaum oder gar nicht wahrnehmbar ist. Es ist eine feinstoffliche Welt. Die der Pflanzen, in der alles mit allem zusammenhängt. Die Pflanzen sind in ständiger Kommunikation mit ihrer Umwelt, sei es über die Wurzel mit Kleinstlebewesen oder über das Blattgrün und durch Duftstoffe mit größeren Insekten und mit uns Menschen. Mit solch komplexen Zusammenhängen haben selbst Wissenschaftler ihre Mühe. Aber wenn wir genau hinschauen sind es simple Zusammenhänge, die irdischer nicht sein könnten. Die Pflanze gehört zum Kreislauf der Natur. Und wir gehören dazu. Wir alle wollen gesunde Pflanzen und nach Möglichkeit wollen wir diese auch noch bedenkenlos verzehren... oder? Dann aber müssen wir uns an den Gedanken gewöhnen, dass es eine Pflanze ohne Mitesser gar nicht gibt. Und das hat nicht immer etwas mit ihrem Gesundheitszustand zu tun. Vielleicht müssen wir wieder lernen zu teilen? Alle finden den Schmetterling schön, aber niemand toleriert die Raupe auf dem Kohl. Wie viele lieben den Gesang der Stare? Wer noch, wenn sie den Kirschbaum plündern?
Wir sind nicht allein.

Grundsätzliches

Haben Sie Vertrauen in das - sichtbare und unsichtbare - Leben! Gestehen Sie einem jeden Lebewesen grundsätzlich eine Daseinsberechtigung zu und begegnen Sie - auch unliebsamen Plagegeistern - mit Achtung! Denken Sie ganzheitlich! Die Welt der Pflanze schließt alles mit ein, vom Mond, der die Wasser der Erde bewegt, bis hin zum Mikrokosmos, den die Pflanze umgibt.
Finden Sie Freude am Beobachten, Entdecken und Erkennen!
Machen Sie es sich ‚einfach‘, indem Sie Komplexität und Nicht-Verstehen zulassen und nicht stur bekämpfen!
Wählen Sie Ihre Pflanzen als Gefährten bewusst aus! Und fragen Sie sich im Voraus, ob Sie ihren Bedürfnissen gerecht werden können! Wenn Sie dies gewissenhaft tun, erübrigen sich viele mögliche Probleme.
Verstehen Sie Ihr Verhältnis zur Pflanze als eine Art Symbiose! Schenken Sie Aufmerksamkeit, Liebe und Fürsorge!
Kommunizieren Sie mit Ihren Pflanzen! Fragen Sie sie, was ihnen gefällt! Lernen Sie den Gesundheitszustand Ihrer Pflanzen zu deuten! Versuchen Sie Krankheitssymptome und Schadbilder rechtzeitig zu erkennen und fragen Sie nach den Ursachen!

Konkret: Vorbeugen ist besser als Bekämpfen!

1. Sortenwahl:

Wählen Sie möglichst robuste und krankheitstolerante Sorten aus!

2. Wachstumsfaktoren:

Steigern Sie die Abwehrkräfte der Pflanze, indem Sie ungünstige Bedingungen vermeiden! Schaffen Sie der Pflanze den für sie richtigen Platz, indem Sie die Wachstumsfaktoren entsprechend regulieren: Wo kommt die Pflanze her? Welche Bedingungen benötigt sie zum Gedeihen?

Der Boden ist die Wiege des Lebens. Kultivieren Sie guten, gesunden, ausgewogenen Boden, oder beschaffen Sie sich qualitativ hochwertiges Substrat für die Topfkultur. Schaffen Sie ein gesundes Milieu! Achten Sie auf den passenden ph-Wert!

Wasser: Versuchen Sie die Pflanzen bedarfsgerecht mit Wasser zu versorgen, damit Sie keinen Stress erleiden! Gießen Sie bevorzugt in den Morgenstunden sonniger Tage, damit das Laub rechtzeitig abtrocknen kann und sich pathogene Pilze nicht vermehren können! Wasser ist nicht gleich Wasser. Regenwasser ist zum Gießen am besten geeignet.

Luft: Sorgen Sie im Gewächshaus für Luftbewegung und nötigen Luftaustausch! Achten Sie draußen vor allem auf windanfällige Pflanzen und schützen Sie sie ggfs. durch Anbinden oder Pflanzen einer Hecke! Eine bessere Durchlüftung der Pflanzen wird z.B. durch fachgerechten Schnitt erreicht.

Licht: Alle Pflanzen benötigen und wachsen zum Licht. Achten Sie auch hier auf die unterschiedlichen Ansprüche der Pflanzen. Gestalten Sie Ihren Garten entsprechend, oder behelfen Sie sich mit Schattierleinen, bzw. Zusatzbeleuchtung!

Nährstoffe: Benutzen Sie zur Ernährung der Pflanzen möglichst eigenen Kompost, für Topfpflanzen evtl. zusätzlich handelsüblichen Dünger aus pflanzlichen Stoffen oder pflanzliche Jauchen! Synthetischer Dünger beeinflusst den Stoffwechsel der Pflanze negativ.

Klima: Temperatur und Feuchtigkeit spielen nicht nur für das Gedeihen von Pflanzen eine Rolle. Vermeiden Sie bei drohendem Spinnmilbenbefall möglichst trockene Heizungsluft, bei drohendem Pilzbefall zu hohe Luftfeuchtigkeit!

Durch Pflanzenstärkungsmittel kann die Pflanzengesundheit besonders hinsichtlich pathogener Pilze positiv beeinflusst werden. Achten Sie auf Pflanzengemeinschaften (Zeigerpflanzen; gute und schlechte Nachbarschaften). Richten Sie

3. Vermeiden Sie ein Zusammentreffen von Pflanzen und Schaderreger:

Selektieren Sie tote und kranke Pflanzen aus; putzen Sie die Pflanzen bei Bedarf aus;­ achten Sie auf Hygiene (z.B. Reinigung der Arbeitswerkzeuge); schaffen Sie Barrieren wo nötig, z.B. Kulturschutznetze für Kohlkulturen bei Gefahr von Raupenbefall.

4. Bekämpfung kann, muss aber nicht zwingend notwendig sein. Es sollte situativ entschieden werden.

Physikalisch:

Ein naheliegendes Verfahren besteht in der mechanischen Entfernung von Schädlingen oder erkrankten Pflanzenteilen. Läuse können bei kleineren Topfpflanzen z.B. oft problemlos abgewaschen werden. Schadhafte Pflanzenteile können oft im Zuge eines fachgerechten Rückschnittes entfernt werden.

Biotechnisch:

Hierbei werden chemische und biotechnische Reize zur Anlockung, Vertreibung oder Hemmung von unerwünschten Plagegeistern genutzt (z.B. Leimtafeln, Lichtfallen, Hormonfallen).

Biologisch:

  • Schonen Sie vorhandene Nützlinge, indem Sie auf Pflanzenschutzmittel verzichten!
  • Fördern Sie Nützlinge, z.B. durch das Anlegen von: ganzjährigen Blühflächen, Verstecken und Überwinterungsplätzen (z.B. Reisighaufen), Hecken und fruchttragende Gehölze, Insektenhotels und Nistmöglichkeiten.
  • Gezielter Einsatz von Nützlingen ist ebenfalls möglich, bietet sich jedoch vorrangig für Kulturen im geschützten Anbau an. In einem gesunden Garten sind glücklicherweise meist genügend Nützlinge aktiv. Nützlingseinsatz setzt gute Kenntnis der Biologie von Nützlingen und Schädlingen voraus und erfordert eine andauernde regelmäßige Beobachtung und Kontrolle.

Chemisch:

Die chemische Bekämpfung sollte vermieden werden. Alle Pflanzenschutzmittel - und seien sie auch im biologischen Landbau zugelassen -­ sind Gifte! Ihre Anwendung erfordert Sachkenntnis und einen verantwortungsvollen Umgang. Sollten Sie die chemische Bekämpfung dennoch in Betracht ziehen, kommen ausschließlich Mittel in Frage, die für die Anwendung in Haus und Kleingartenbereich zugelassen sind. Beachten Sie unbedingt die Anwendungshinweise und bedenken Sie, dass altbewährte, weniger toxische Hausmittel (z.B. Kaliseifenlösung) meist ausreichen.

Alles was der Mensch in seine Umwelt einbringt, landet früher oder später auf seinem Teller!

Quellennachweise & Buchvorschläge:

Pflanzenschutz im Haus und Kleingarten
Landwirtschaftskammer Niedersachen 2010

Der Biogarten
von Marie-Luise Kräuter

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